von Niki Xenodimitropoulou
Ein galaktisches Wochenende sitzt mir trotz elf Stunden Schlaf in den Knochen liegt unmittelbar hinter mir. Vom 26. – 28.05. besuchte ich die FedCon im Maritim Hotel in Bonn, die größte Science-Fiction Messe Europas. Es war mein bisher dritter Besuch und mein erster seit dem Lockdown. Während der Pandemie konnte ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass die FedCon je wieder zum alten Glanz erstrahlen würde. Aber ich wurde eines Besseren belehrt. Auch dieses Jahr fluteten tausende Anhänger des Science-Fiction und Fantasy die Hotelanlage. Alles „Gläubige“…. :–)

Die Sonne strahlte, es gab spannende Vorträge, fantastische Kostüme, begehrte Stargäste, Aussteller, gutes Essen, grünes Bier, tolle Partys und und und. Ein besonderer Schwerpunkt lag dieses Jahr klar auf Stargate. Aber auch die Fans anderer Formate kamen natürlich auf ihre Kosten.
Inmitten von Klingonen, Sturmtrupplern, Aliens und Cyborgs aus dem gesamten Kosmos, fühlte ich mich nicht nur pudelwohl, sondern war dort paradoxerweise mehr Mensch als bei anderen Großevents. Dazu trugen auch maßgeblich die Mitglieder des FedCon-Teams bei, welche sehr hilfsbereit waren und alles bestens im Griff hatten. Jedem wurde geduldig und freundlich geholfen, egal mit welchem Anliegen man an sie herantrat (sogar wenn Leute zum x-ten Mal ratlos nachfragten, ob die vorliegende Schlange noch immer für George Takei ansteht). So habe ich das woanders wirklich noch nie erlebt. Keine Ahnung, wie die Jungs und Mädels es hinkriegen, immer cool zu bleiben. Meine tiefste Hochachtung an dieser Stelle und ein herzliches Dankeschön!
Eine Neuerung zu meinem letzten Besuch im Jahr 2019 war der Wegfall der nervigen Essenmarken (halleluja!) und die Einführung von Foodtrucks auf dem Außengelände. Da gab es Corndogs, China-Nudeln, ausgefallenen Pommes-Kreationen, Waffeln, Wassermelone mit Minze u.V.m.
Negativ fielen mir lediglich vier Aspekte auf: 1. Bedauerlich war, dass der Verkauf der Wochenend-Tickets so früh eingestellt wurde und sie auch vor Ort sehr frühzeitig abgegrast waren. So blieben meiner Schwester, die mich begleitete, und mir nichts übrig als auf Tages-Tickets auszuweichen. 2. Die Sitzgelegenheiten auf dem Gelände reichten nicht annähernd aus und waren sogar noch knapper als früher. Dies fiel besonders zur Mittagszeit auf, sodass man oft lange nach einem Platz zum Essen suchen musste. Das geht sicherlich besser. Mir wurde von anderen Gästen berichtet, dass das Hotel die Bestuhlung in der Lobby und im Außenbereich vor Beginn der FedCon sogar jedes Mal absichtlich reduziert. Eventuell handhabt man es so, um die Barrieren zu reduzieren, aber man kann es auch übertreiben. 3. Der Bereich in der Lobby, der als Tanzbereich herhalten durfte, verfügte diesmal nicht wie früher über einen tanzbaren Hartboden, sondern bestand aus einem wabbeligen Teppichboden, der zu dessen Schonung mit Fließbahnen überzogen war. Wiesooo?! Das ist doch Gift für die Gelenke! Haben die noch nie etwas was mobilen Tanzparketts gehört? 4. Einer der Mitarbeiter (dunkles Haar, Vollbart), der abends an der Hotel-Bar wie ein Schichtführer agierte, war entweder mit dem hohen Gästeaufkommen schlicht überfordert oder generell unausgeglichen, denn er begegnete friedfertigen und geduldigen Gästen in extrem unfreundlichem Kommando-Ton. Völlig grundlos und unangebracht. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er z.B. die Teilnehmer eines Chirurgen-Kongresses oder was auch immer sonst noch so dort stattfinden mag, so behandeln würde. Wären seine Kollegen nicht im Kontrast so zuvorkommend und höflich gewesen, hätte man annehmen können, dies sei irgendwie Teil der Show und man hätte sich als lumpiger kleiner Rebell versehentlich in die Offiziersmesse des Imperialen High Commands verirrt…. Die übrigen Service-Kräfte des Hotels waren ansonsten während der gesamten Veranstaltung sehr zuvorkommend und kundenorientiert, wie ich in diesem Zusammenhang fairerweise betonen möchte.
Abgesehen von diesen Kleinigkeiten fand ich die FedCon 31 insgesamt sehr gut gelungen. Es gab ein abwechslungsreiches und proppevolles Programm, bei welchem man sich wegen Überschneidungen manchmal kaum entscheiden konnte, welcher Veranstaltung man den Vorzug geben soll. Die Qual der Wahl. Vielleicht sollte man die FedCon um einen Tag verlängern, sodass man nichts Interessantes verpasst. Ich werde eine Petition in Erwägung ziehen.

Die Atmosphäre kann man wohl am besten mit der eines Festivals vergleichen. Die Besucher waren unprätentiös und superlieb im Umgang miteinander und insgesamt sehr entspannt. Zudem schien auch die Teilnahme von Rollstuhlfahrern und anderer Besucher mit Behinderung zugenommen zu haben, was für ein kompetentes Veranstaltungs-Management spricht. Selbst in gefühlt unendlichen Warteschlangen verlor niemand die Nerven oder drängelte sich vor. Keine Spur von Unruhe, Konkurrenzdenken, Aggressivitäten, Gezicke, Machismus oder sonstige problematischen Verhaltensweisen, wie sie auf anderen Veranstaltungen dieser Größenordnung unweigerlich auftreten, wenn viele Menschen zusammen treffen. Man schnauzt sich nicht wegen Nichtigkeiten an oder belehrt einander mit erhobenem Zeigefinger. Kein Machtgehabe. Keine Clownsspielchen. Null negative Vibes. Stattdessen ein fröhliches Miteinander auf Augenhöhe und ein Sehen und Gesehenwerden. Man begegnet einander auf eine neidlose, vorurteilsfreie und konstruktive Art und Weise. Jeder wird dort als Individuum akzeptiert und gewertschätzt, egal wie schräg sein Auftreten ist. Je schräger der Look desto besser! Auf der FedCon ist niemand Außenseiter.

Soziologen, Psychologen und Anthropologen sollten sich vielleicht einmal mit der Szene und seinen Phänomenen befassen und sie näher erforschen,. Womöglich könnten Menschen auch in anderen Lebensbereichen von den Erkenntnissen profitieren.
Die FedCon mag „Normalsterblichen“ wie eine Phantasiewelt erscheinen, in die die Teilnehmer flüchten. Science-Fiction- und Fantasy-Fans wird oft zu Unrecht vorgeworfen, über keine ausreichenden Bezug zur Realität zu verfügen. Dabei suchen die meisten gewiss nicht nachts nach UFOs, sondern führen neben ihrem oft zeitraubenden Hobby ein ganz normales ziviles Leben und gehen seriösen Beschäftigungen nach. Aber der Mensch verurteilt nunmal gerne, was er nicht begreift. Auch ich weiß seit meiner Kindheit wie es ist, wegen meines speziellen Geschmack belächelt zu werden. Da meine Interessen sich jedoch nicht nur auf SF beschränkten und ich im Laufe meines Lebens zudem weitaus schlimmere Formen von Diskriminierung in der deutschen Gesellschaft erlebt und beobachtet habe, habe ich unter diesen Sticheleien – zum Glück – nicht sehr gelitten. Als Kind war ich in Luke Skywalker verschossen, zeichnete in der Schulpause Star-Wars-Comics und schneiderte mir ein schiefes Leia-Organa-Kostüm – na und? Wer frei von Träumen und Phantasien ist, werfe den ersten Stein! Wie auch immer man diese Szene beurteilen mag, die FedCon wird von echten, also von denkenden und fühlenden Menschen kreiert, welche viel Energie, Liebe, Leidenschaft sowie unzählige Arbeitsstunden investieren, um das Leben auf der Erde für sich selbst und auch für andere ein bisschen schöner und bunter zu machen. Eine gelebte Friedensbotschaft, wenn man so will. Sie kommt auch meiner persönlichen Vorstellung einer idealen Gesellschaft sehr nahe. Durch Rücksichtnahme und Respekt entsteht der Nährboden für viele mögliche Konflikte erst gar nicht. Vertreter anderer Interessen und Hobbys sollten sich eine Scheibe von der FedCon abschneiden, wenn man im Vergleich, um aktuelle Beispiele aufzugreifen, z.B. an die laufende Schlammschlacht zwischen Kahn und den FC Bayern oder die schockierenden Vorwürfe rund um das Rammsteinkonzert in Litauen denkt. Irgendwie erinnert die FedCon an eine Art Multikulturalismus nur ohne den Clash of Cultures. Leider bricht diese Welt nach drei Tagen schon wieder auseinander, aber ihr Geist lebt fort, bis zum nächsten Mal. Für viele lautet das Credo nämlich: Nach der FedCon ist vor der FedCon. Aber, um auf das oben genannte herrschende Vorurteil des Realtitäsverlusts noch einmal kurz zu sprechen zu kommen: wer will sich ernsthaft anmaßen zu behaupten, dass die FedCon als zweifellos lebendiger Ausdruck menschlicher Phantasie und Schöpfungsdranges nicht real sei? Was bitteschön ist Realität, wenn nicht das Resultat unserer eigenen geistigen lmpulse und Gefühle, welche wir mithilfe unseres Bewusstseins in unseren Raum setzen?
In mir selbst stellte ich während meines Besuches in Bonn jedenfalls eine größere innere Ruhe und Zufriedenheit fest, obwohl die Convention körperlich sehr kräftezehrend war (siehe Screenshot vom Schrittzähler unten) und ich kaum zum Schlafen kam. Gleichzeitig fühlte ich mich auch euphorisch, ein bisschen wie ein Kind auf Entdeckungstour….

Mich konnte nichts wirklich aus dieser Ruhe bringen. Zum Beispiel kippt eine junge Frau im Außenbereich einmal einen Becher Kaffee über mich um, als sie mir gerade etwas zeigen wollte. Genauer gesagt, war es mein Kaffeebecher, nämlich ein doppelter Café Créma, den ich zuvor geduldig abkühlen ließ. Mein linker Arm war patschnass. Ich ärgerte mich jedoch nicht nur nicht über die Sauerei, sondern war einfach nur froh, dass der Kaffee nicht mehr heiß war, mich also nicht verbrühte. Außerdem konnte ich dank meiner Reaktion wenigstens meine Hose und sogar die Hälfte des Inhaltes retten. Mit der Nummer bin ich übrigens noch frei. :–D Und na klar habe ich den Rest noch getrunken. Denn ich war am Sonntagmorgen huuundemüde und brauchte dringend Coffein, um hochzufahren. Die Frau schämte sich aber sehr und entschuldigte sich übermäßig und aufrichtig, was heutzutage nicht selbstverständlich ist. Für mich war die Sache insofern nur halb so wild und ich meinte zu ihr und ihrem Freund bloß sinngemäß „Wow…. jetzt ist es eine feuchtfröhliche Party! Mach dir keinen Kopf. Ist doch niemand verletzt. Kann jedem mal passieren.“ Ich möchte nicht in die Esoterik abdriften, aber auf der FedCon herrscht schon ein ganz besonderer Spirit, den man nur schwer beschreiben kann, sondern selbst erlebt haben muss. Apropos Party: am Ende des Beitrags findet ihr ein Video von der FedCon-Party.
Besonderer Anreiz für mich hinzufahren war übrigens die Ankündigung von Ben Browder und Gigi Edgley, zwei Helden der australischen SF-Serie „Farscape“, die ich früher rauf und runtergeguckt habe. Besonders Gigis fröhliche und umgängliche Art hat mich positiv überrascht. Sie fragte mich während der Autogrammstunde, was meine Leidenschaft sei („Niki, what’s your passion?“). Sie war der erste Mensch, der mir diese Frage so direkt und unverblümt gestellt hatte. Eine so bedeutende und auch irgendwie intime Frage….einfach so….während einer flüchtigen Begegnung…. Nach einem kurzen Moment der Irritation antwortete ich schließlich ebenso direkt und unverblümt „Tango Argentino and writing“. Später in ihren Panel im Saal Beethoven nahm sie noch einmal Bezug auf das Thema Leidenschaft. Sie hatte wohl mehrere ihrer Fans mit dieser Frage abgecheckt. Viele konnten zu ihrem Bedauern wohl den Sinn der Frage nicht verstehen und dachten, sie fragte nach ihrem Beruf. Sie ermutigte die Besucher des Panels jedenfalls dazu, aktiv ihr Leben zu gestalten, hinaus auf die Straße zu gehen und ihre eigenen Geschichten zu erzählen. Wirklich sehr inspirierend.
Hier noch meine persönliche Bilanz von der FedCon 2023 in Bildern:














Und last but not least, wie versprochen das Party-Video. Jaaa richtig gelesen. Entgegen vieler Klischees, Trekkies und SF-Fans seien sozial gehemmt, kann die FedCon definitiv Party….
Lebet nicht allzu lang und lasst es krachen!