Deutschland hat parteipolitisch eine ziemlich spannende Woche hinter sich. Das neue gegründete BSW betritt mit einem lauten Paukenschlag die Bühne. Die NPD wiederum geht mit Pauken und Trompeten immer weiter den Bach runter. Das ist mir einen Kommentar wert.
Samstag:
Spitzenpolitikerin Sahra Wagenknecht hielt beim Gründungsparteitag vom 27.01.2024 der von ihr gestifteten Partei „Bündnis Sahra Wagenknecht – Für Vernunft und Gerechtigkeit“, kurz BSW, eine beeindruckende und temperamentvolle Rede, in welcher sie den Finger in die Wunde der Nation legte, eine Vielzahl von Problemen in Deutschland ungeschönt aufs Tapet brachte und gegen die anderen Parteien heftig austeilte.
Zwar wurde sie in Fachkreisen dahingehend kritisiert, keine Lösungen anzubieten, allerdings würde das Aufzeigen detaillierter Lösungswege klar den Rahmen sprengen sowie den Zweck einer solchen Veranstaltung verfehlen. In erster Linie geht es schließlich darum, das „Baby“ zu präsentieren. Eventuell will man sich da auch vorerst bewusst nicht in die Karten gucken lassen. Aber zu erkennen, wo überhaupt die „Baustellen“ hierzulande zu lokalisieren sind, ist allemal mehr als andere Parteien in letzter Zeit vorweisen können. Diese verfolgen derzeit auch keine überzeugenden und spürbaren Problemlösungsstrategien. Nicht zuletzt deshalb erstarkt derzeit die AfD, die viele Menschen irrtümlich für eine gute Alternative halten, aber dazu später mehr.
Manchen mag es jedenfalls aufstoßen, wenn unverhohlen Personenkult betrieben wird. Grundsätzlich bin ich da auch eher skeptisch. Andererseits schwingt bei der Kritikern der BSW meist eine leichte misogyne Grundhaltung mit. Vermutlich gäbe es summa summarum weniger Nasenrümpfen, wäre der Parteistifter ein Kerl. Nebenbei bemerkt ist der Parteiname wohl ein Provisorium und wird in Zukunft umgeändert.
Einen Mangel an Kompetenz, Rückgrat oder Substanz kann man dieser Frau jedenfalls nicht vorwerfen, zumindest nicht ohne sich dabei lächerlich zu machen. Zu Recht gilt sie als eine der besten Rhetorikerinnen unter den deutschen Poltikern. Da könnten sich einige monotone Schlafmützen eine Scheiben abschneiden. Der Auftakt des BSW hat mich jedenfalls positiv überrascht. Hier ein ausführliches Video:
Dienstag:
Vier Tag zuvor wurde die rechtsextreme Partei „Die Heimat“, ehemals NPD, mit Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 23.01.2024 für die Dauer von sechs Jahren von der staatlichen Parteienfinanzierung ausgeschlossen. Ausrichtung der Partei sei es, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen. Dem Verfahren kommt nach meiner Einschätzung insofern Bedeutung zu, als dass es als eine Art Stresstest für künftige Verbote extremistischer Parteien fungieren könnte. Denn die Verfassungsrichter prüfen dabei dieselben Kriterien wie bei einem Parteiverbotsverfahren, sodass ein Verbot der rechtsextremen Partei zumindest möglich wäre. Ein entsprechender Antrag gegen die NPD ist zuletzt 2017 gescheitert, da das Gericht die Partei für zu klein und unbedeutend erachtete.
Zuletzt hatte das Gericht eher dahingehend von sich reden gemacht, recht großzügig mit den zahlreichen Grundrechtsverletzungen während der Pandemie umgegangen zu sein. Vor diesem Hintergrund hat mich die Begründung (siehe Youtube-Video) des Gerichts zugegeben besonders stolz und auch hoffnungsvoll im Hinblick auf einen solide funktionierenden Rechtsstaat gemacht. Andererseits wurde mit diesem Urteil bei genauer Betrachtung bloß ein wütender Gartenzwerg in die Schranken verwiesen, denn von der „Heimat“ ging zumindest aktuell keine nennenswerte Gefahr für Freiheit und Demokratie aus. Aber es war zumindest ein deutliches Warnsignal in Richtung Rechtsextremismus.
Die Rufe nach einem Parteiverbot der AfD werden in der Bevölkerung nun immer lauter. Diese bringt es bei den Umfrageergebnissen mittlerweile auf stattliche über zwanzig Prozent, gilt in vier Bundesländern als gesichert rechtsextrem und steht in den meisten zumindest unter besonderer Beobachtung.
Die NPD bzw. „Heimat“ war zu schwach für ein Parteiverbot. Die AfD könnte hingegen inzwischen zu stark sein, um verfassungsgerichtlich verboten zu werden. Wenn d.h. falls das Bundesverfassungsgericht mit einem entsprechenden Antrag beauftragt wird, ist zu hoffen, dass unsere Richterinnen und Richter ihrer Rolle als Hüter der Verfassung erneut gerecht werden und den nötigen Mumm an den Tag legen, selbst einer Partei den Riegel vorzuschieben, die bereits in den Bundestag eingezogen ist und nun sogar zahlenmäßigen Regierungspotential haben könnte. Die Chance, dass es bei einem bloßen Konjunktiv bleibt, bietet sich womöglich nur einmal.
Fazit:
Bis zur nächsten Bundestagswahl bleibt es spannend in der deutschen Parteienlandschaft. Und eines darf der Deutsche Michel inmitten all dieser zermürbenden Debatten nicht vergessen: Auch und vor allem ER kann als Souverän über die Ausübung seines Wahlrechts ein waschechter Verfassungshüter werden, sofern er denn will….