Jiaogulan – forever young
Unsterblichkeit mag für Viele vielleicht verlockend klingen. Der Traum vom ewigen Leben dürfte wohl so alt wie der Mensch über seine Existenz reflektieren kann. Aber ich persönlich finde es nicht erstrebenswert, ewig zu leben. Das Leben ist spannend und kostbar, gerade weil seine hellen und dunklen Momente quantitativ limitiert sind. In ihrer Qualität hingegen sind ihnen manchmal keine Grenzen gesetzt. Damit gebe ich mich zufrieden – zumindest auf dieser Existenzebene. Allerdings bin ich schon irgendwie froh, dass die Lebenserwartung von Frauen und Männern dank Wissenschaft und Medizin deutlich gestiegen ist. Lebte ich beispielsweise im 19. Jhd, so hieße es für mich – zumindest statisch betrachtet – schon bald game over. So eilig hätte ich es dann doch nicht. :–)
Gegen das Altwerden ist an sich nichts einzuwenden. Aber um jeden Preis uralt werden? Wenn schon altern, dann doch bitteschön mit Würde und bei bestmöglicher Gesundheit! Ein hohes Alter unter Gebrechen, Gelenkprothesen und Stents oder unter geistigem Abbau zu erreichen, um dann irgendwann wie ein Zombie im Pflegebett vor sich hin zu vegetieren und seine eigenen Kinder und Enkel nicht wiederzuerkennen, klingt irgendwie nicht gerade glamourös. Was hat sich die Natur eigentlich dabei gedacht, dem Menschen diesen langwierigen und leidvollen Verfall zuzumuten, der in Relation zur gesamten Lebensspanne in vielen Fällen einen nicht unbeachtlichen Zeitraum einnimmt? Und war das denn wirklich so geplant oder war das nicht vielleicht doch ein Fehler der Evolution? Na ja damit können sich gerne die Gerontologen befassen.
Die Themen Aging und Anti-Aging fand ich schon immer spannend, noch lange bevor diese Begriffe in aller Munde waren. Insbesondere das, was die Kräuterheilkunde in diesem Zusammenhang zu bieten hat, um das Altern zu verzögern. Bereits als junge Teenagerin schätzte ich die gesundheitsfördernde Wirkung von Tee. Ich trank Unmengen grünen Tee. Mein Favorit wurde später abgelöst von der edlen weißen Variante. Dann griechischer Bergtee usw.
Als Teeliebhaberin und Fan der Phytopharmazie bin ich vor einigen Monaten auf „Jiaogulan“ gestoßen, zu Deutsch das Unsterblichkeitskraut. Der botanischer Name lautet Gynostemma pentaphyllum. Unsterblichkeit ist schon eine markige Ansage! Die Pflanze zählt zu den Kürbisgewächsen, stammt aus Ostasien und ist fester Bestandteil der Traditionellen Chinesischen Medizin. Übertreibungen im chinesischen Sprachgebrauch sind mir seit meiner China-Rundreise 2017 nicht unbekannt. Fest entschlossen, direkt mit einem Kopfsprung in die Traditionen einzutauchen, bestellte ich mir damals auf meinem Flug von München nach Beijing ein traditionelles chinesisches Frühstück anstelle eines kontinentalen Frühstücks . Neben einem faden bekömmlichen Reisschleim, lag da plötzlich ein in Plastikfolie eingeschweißtes „tausendjähriges Ei“. Als man mir sagte, was das sei, bekam ich erstmal einen Schrecken und ließ das Ding ratlos in meiner Handtasche verschwinden. Wohin bloß mit dieser Hühnereimumie?! Später erfuhr ich dann, dass es sich um eine Delikatesse handelt, diese Eier jedoch nicht tausend Jahre, sondern in Wahrheit maximal ein paar Jahre alt sind. Diese Art der maßlosen Übertreibung finde ich liebenswürdig, denn sie zeugt von einer kindlichen und phantasiereichen Mentalität der Chinesen.
Zurück zum Tee. Die Konsum des Jiaogulan soll gegen viele Zivilisationskrankheiten helfen, aber hierzulande ist er kaum bekannt. Einige seiner insgesamt über 100 Saponine findet man auch im berühmteren Ginseng, genauer gesagt in Panax ginseng. Deshalb wird die Pflanze auch Frauenginseng genannt. Allerdings enthält er dreimal so viele Saponine wie Ginseng. Daneben sind verschiedene Vitamine, Spurenelemente, Glykoside, Aminosäuren und Polysaccharide enthalten. Saponine haben in der Naturmedizin adaptogene Wirkung und sollen mitunter stressinduzierten Krankheiten entgegenwirken und vorbeugen. Der Konsum des Jiaogulan soll mitunter das Wohlbefinden fördern, die Konzentrationsfähigkeit steigern und Müdigkeit verringern. Zudem wird ihm nachgesagt, dass er das Cholesterin senkt, den Blutdruck reguliert und die Insulinsensitivität erhöht. Allerdings gibt es bisher keine fundierten Nachweise, da die Studienlage unzureichend ist. Es ranken jedoch viele Mythen um die Pflanze. So soll es in den Regionen Chinas, wo der Tee als Nationalgetränk gilt und häufig konsumiert wird, besonders viele Überhundertjährige geben und auch die Krebsrate ungewöhnlich gering sein. Insofern scheint die Pflanze zwar nicht unsterblich zu machen, sondern allenfalls zu einer guten Gesundheit beizutragen, die ein langes Leben begünstigt.

Versuch macht klug. Nach all meinen Recherchen zu der Wirkung dieser Heilpflanze war meine Neugier geweckt und ich suchte nach einem Anbieter in Deutschland. Schnell stellte ich fest, dass die Pflanze hierzulande gar nicht als Tee gekauft wird.
Im Jahr 2022 wurde Jiaogulan vom Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg als zulassungspflichtiges neuartiges Lebensmittel eingestuft. Nach Begutachtung durch das Chemische und Veterinäruntersuchungsamt Karlsruhe sei die Pflanze als Lebensmittel zulassungspflichtig. Bis also das entsprechende Zulassungsverfahren durchlaufen und erfolgreich abgeschlossen ist, darf die Pflanze im Sinne des Verbraucherschutzes nicht als Tee oder sonstiges Lebensmittel in Umlauf gebracht werden. Da ein solches Verfahren kostspielig ist, kann es also noch dauern. Mangels entsprechender Zulassung darf er gegenwärtig nur als Dekoration verkauft werden, quasi als eine Art Potpourri.
Bis die Unschädlichkeit des Konsums nachgewiesen ist, fließt viel Wasser den Rhein und den Jangtse runter. Da mir bei meinen Recherchen keine zwingenden Hinweise untergekommen ist, die für eine Toxizität der Pflanze und ihrer Bestandteile sprechen, habe ich mir 500 g getrocknete Blätter laborgeprüften Jiaogulans von einer aus meiner Sicht vertrauenswürdigen Quelle besorgt, einen Teelöffel davon mit 80 Grad heißen Wasser aufgebrüht und 10 Minuten ziehen lassen. Wenn schon, denn schon!, dachte ich mir. Parallel zum Verfassen dieses Posts trinke ich nun heute Morgen meine allererste Tasse lauwarme „Dekoration“. Der Tee ist geschmacklich unaufdringlich sowie leicht lieblich. In den folgenden Stunden bis zur Veröffentlichung am Abend stellte ich jedenfalls keine auffällige Wirkung fest, weder eine negative noch eine positive. Ich fühlte mich im Anschluss klar und munter, aber vielleicht war das auch nur der Placeboeffekt. Für einen ausführlichen Erfahrungsbericht genügt ein einmaliger Konsum ohnehin nicht. Aber zumindest habe ich einen ersten Eindruck gewonnen. Akut vergiftet habe ich mich jedenfalls nicht und es geht mir soweit gut. Auch mein Magen ist in Ordnung. Ob ich es bei der einen Tasse belasse oder weiter von der Unsterblichkeit koste, habe ich noch nicht entschieden…
[Diese ist keine Produkt- oder Verzehrsempfehlung, sondern ein persönlicher Erfahrungsbericht, der Unterhaltungszwecken dient. Von Nachahmung wird abgeraten.]
Tango ≠ Eleganz
Letztes Wochenende wurde im bezaubernden Heidelberg auf einer Milonga eine neue Stilrichtung des Tangos erfunden. Ich taufe sie Pogo-Tango! Ja, richtig gelesen, eine ungesunde Mischung aus dem aus der Punkeszene stammenden Pogo und Tango Argentino, die jede Menge Spaß und blaue Flecke verheißt. Die Milonga war eines der Highlights eines mehrtägigen Tango-Events einer renommierten Tangoschule. Veranstaltungsort war der elegante Königssaal auf dem altehrwürdigen Schloss. Beim Betreten der Location schien alles zunächst super. Man wurde freundlich begrüßt, der DJ sorgte für gute Musik und die Leute waren schick, erwartungsgemäß schicker als bei gewöhnlichen Milongas. Aber abgesehen davon, dass sich die Masse aus Tanzpaaren grob gegen den Uhrzeigersinn bewegte, war von einer geordneten Ronda leider nicht viel zu erkennen. Konzentrische Bahnen? Abstand unter den Tanzpaaren? –Fehlanzeige! Für die Bildung von Bahnen war auf dem großen Parkett zwar genügend Platz. Aber viele Paare tanzten kreuz und quer wo sich gerade eine Gelegenheit bot. Und wenn man gerade keinen Platz für seinen Tatplan seine nächste Figur hatte, wurde eben Platz gemacht. Ob man es unter Ludwig V. dem „Friedfertigen“ auch so krachen ließ?
Auf der Tanzfläche wurde jedenfalls munter gerempelt, geschupst und getreten was das Zeug hält…. Selbst wenn eine Tanda schon so gut wie gelaufen und die Tanzfläche voll war, haben sich Spätentschlossene, ohne sich mit den benachbarten Paaren zu koordinieren, in die Ronda geschmissen wie Kleinkinder in den Bällepool. Selbstzurücknahme? Jemanden um Erlaubnis fragen? Auch mal Andere ungestört ihr Ding machen lassen und die nächste Tanda abwarten? –Nö, man möchte schließlich nicht zu kurz kommen… und erniedrigen will man sich durch zuviel Höflichkeit schon mal gar nicht.
Und auch abseits der Tanzfläche kultivierte man die neue Pogo-Philosophie notlos weiter. Wehe man ruhte sich auf einem Stuhl aus, der schon „reserviert“ war. Da wurde man, selbst wenn dieser mindestens während der letzten 2-3 Tandas nicht genutzt wurde, harsch von Herrenmensch*innen verjagd. Das galt nicht nur für Stühle, die trotz des Vorhandenseins einer überwachten und sauberen Garderobe mit unschönen XXL-Sporttaschen, Jacken, Trekkingrucksäcken, Straßenschuhen und anderen Stolperfallen blockiert waren, sondern auch für Stühle, die sichtbar keine persönlichen Gegenstände aufwiesen und somit frei waren, aber in deren Nähe auf dem Tisch eine Brille abgelegt war. Wie? Etwa nicht gewusst? Brillen sind die neuen Handtücher! Da können sich die Touristen auf Malle eine Scheibe abschneiden.
Ironie off. Irgendwie herrschte an diesem Abend insgesamt eine seltsame leicht negativ aufgeladene und auch irgendwie unentspannte Grundstimmung. Es schien so, als müssten manche Gäste angesichts der Anmeldung, Vorbereitung, Anreise, Umstände und Kosten etc. quasi per Knopfdruck gefälligst jetzt unbedingt auf ihre Kosten kommen. Anderenfalls hätten sie wohl aus ihrer Sicht nur ihre Ressourcen vergeudet und alles wäre für die Katz‘. Ich – icher – am ichsten! So lautete das unausgesprochene Kredo. In Gesprächen mit vernünftigen Gästen, die zum Glück ebenfalls auf der Milonga vertreten waren, aber leider eher in der Unterzahl zu sein schienen, wurde mir mein Eindruck wiederholt bestätigt. Ein junger Herr etwa, der regelmäßig Gast auf Milongas in der Umgebung ist und den ich für seine sanfte und höfliche Art schätze, beschwerte sich während unserer Unterhaltung im Schlosshof bei mir über das rücksichtslose Benehmen anderer Tangueros. Diese seien sich nicht einmal ihrer Schuld bewusst, nachdem sie andere beim Tanzen gestört hatten. Ich persönlich wurde zweimal von Damen angerempelt, deren Herren nicht richtig aufgepasst hatten. Zum Glück ohne Blessuren. Insofern war meine Bilanz noch ok. Allerdings hatte ich beobachtet wie eine Dame eine Andere mit dem Absatz erwischt hatte und sich bei dieser etwas Haut über der Achillessehne abgeschält hatte. Zwar nur oberflächlich, aber ich dennoch wäre das vermeidbar. Die Tanguera pausierte auf der Fläche und machte sich ein Bild von ihrer Verletzung. Zwar war sie scheinbar nur oberflächlich, aber dennoch muss das nicht sein. Die andere Tänzerin schaute zwar kurz rüber, tanzte aber unbekümmert weiter. Unabhängig davon, wer nun tatsächlich die Verletzung verschuldet hat, gebietet es der Anstand kurz stehen zu bleiben und sich zu erkundigen, ob es der anderen Person gut geht. Aber nein. Einfach weitertanzen und so tun, als sei die Betroffene selbst Schuld. Was für Zombies sind eigentlich auf deutschen Pisten zurzeit unterwegs?
Ich fand ich die Gesamtsituation auf der Tanzfläche irgendwie abschreckend und hatte ich an diesem Abend nicht so richtig das Bedürfnis viel zu tanzen. Da war auch niemand Bestimmtes, mit dem ich an dem Abend unbedingt hätte tanzen müssen, um dafür mit Blut zu bezahlen. Stattdessen genoss ich also lieber das polnische Orchester „Bandonegro“, das ich schon immer einmal live erleben wollte und für das ich hauptsächlich gekommen war. Außerdem freute ich mich über die Stahlarbeiter-Portion Gulasch und mein kühles Radler dazu. Die Gastronomie war top. Und gegen Ende der Livemusik, als sich die Fläche ein wenig leerte, ließ ich mich nach längerer Pause zu zwei Tandas mit einem aufmerksamen und fröhlichen Herren hinreißen.
Danach war ich bettreif und machte mich auf die Heimreise. Mein verbliebenes Tanzbedürfnis habe ich dann übrigens am Folgetag auf einer beliebten Milonga in Frankfurt ganz entspannt und natürlich mit netten Menschen aufgeholt und ging zufrieden in die neue Woche.

Die Gastgeber der Schloss-Milonga selbst haben übrigens nichts falsch gemacht, sondern ganz im Gegenteil spürbar alles gegeben, um einen besonderen Abend auf die Beine zu stellen. In weiten Teilen ist ihnen das auch gelungen. Auf das Verhalten der Gäste kann man im Grunde auch nicht oder nur bedingt einwirken. Wobei… :–) Vielleicht sollte man eine Milonga-Polizei einrichten, die Rowdies konsequent aus der Ronda zieht und ignorante Stuhlbelagerer mit Sack und Pack in Richtung Garderobe beordert, denn schließlich besuchen sie eine Milonga und nicht etwa eine Turnstunde der 4c.
Als Ursache der Rücksichtslosigkeit und latente Aggressivität vermute ich jedenfalls, dass gerade ein so elegantes und dem Namen nach „royal“ anmutendes Ambiente leider auch im Nebeneffekt einige aristokratisch tickende Leute anlockt, die sich selbst als elitär und elegant definieren, ohne sich der Bedeutung und der Anforderungen solcher Attribute auch nur ansatzweise bewusst zu sein. Sie hören oder lesen, wie in diesem Fall, das Schlagwort „Schloss“ und finden aufgrund einer anmaßend-narzisstischen Grundhaltung, dass sie genau da hin gehören, ohne aber auch nur den Hauch einer Ahnung von dem historischen Hintergrund dieses Bauwerks zu haben oder echte Wertschätzung für dieses zu hegen. Dank ihrer überblähten Egos sind sie es jedoch gewohnt, in sämtlichen Lebensbereichen ihre Ellbogen einzusetzen und handhaben das dann als eine Art einigermaßen „bewährtes Mittel“ automatisch auch im Tango so. Anschließend wackeln sie zufrieden nach Hause, beglückwünschen sich innerlich selbst, einen erfolgreichen und glanzvollen Abend erlebt zu haben und blenden gleichzeitig aus, wie vielen anderen sie mit ihrem Egoismus und Platzhirschgetue die Stimmung getrübt haben. Ihnen bleibt zu wünschen, was sie sich im Grunde selbst ersehnen – ein leeres Parkett ganz für sich allein….
Die erwähnte Milonga ist nur ein Beispiel aus der jüngeren Vergangenheit. Es gibt viele Milongas, auf denen Tänzer mit sozialen Defiziten und Persönlichkeitsstörungen aufschlagen. Erfahrungen wie diese erinnern mich aber immer wieder daran, dass die Eleganz als angestrebtes und gefeiertes Ideal im Tango Argentino in Wahrheit rein gar nichts mit zarten Glitzersandaletten, Perlenketten, gebügelten Seidenhemden oder paillettierten Milongakleidern zutun hat. Ebenso wenig mit der Qualität des Tanzes. Wer sich nicht zu benehmen weiß, beeindruckt auch nicht im schicken Outfit oder durch ausgefallene Bewegungen, sondern fliegt schnell auf. Denn Tanzen ist Ausdruck des Wesens eines Menschen und einen miesen Charakter kann man letztendlich nur schwer camouflieren. Wahre Eleganz hat ohnehin nichts mit Mode, (eingebildeten oder tatsächlichen) Tanzniveaus oder sozialem Status zu tun. Vielmehr ist sie Ausdruck einer inneren Geisteshaltung, die bestimmte Tugenden aufweist, die gerade unter Überwindung des eigenen Egos und der niederen Triebe zum Tragen kommen. Diesen kann eine Putzfrau ebenso wie eine Professorin gerecht werden und unter Umständen ist Erstere darin sogar besser. Und ja, ich vermeide bewusst verkappte Bezeichnungen wie Reinigungskraft, denn mit denen wollen sich Verwender meist nur selbst ehren und suggerieren einen Respekt gegenüber solchen Berufsgruppen, die sie in Wahrheit aufgrund ihrer Vogelperspektive gar nicht haben.
Sich zu rasieren, vor dem Kleiderschrank elegant rauszuputzen und Make-up aufzulegen ist keine große Kunst. Wenn man anderen körperlich nahe kommen möchte, versteht es sich von selbst, gepflegt in Erscheinung zu treten. Weitaus schwieriger ist es da, seinen Mitmenschen mit Rücksichtnahme, Geduld, Verständnis, Großzügigkeit und anderen sozialen Kompetenzen wohlwollend zu begegnen. Sind es nicht letztendlich genau diese Dinge, die den Tango elegant und wertvoll machen?
Mich würden eure Erfahrungen zum Thema Pogo-Tango interessieren.
Mani – Am Rande der Welt – Teil 1
by Niki Xenodimitropoulou
(Video-Link zum Beitrag unten)
Mani heißt der große Mittelfinger auf der Halbinsel Peloponnes in Griechenland. Die Region ist für ihre raue Landschaft sowie die eher schroffe Mentalität ihrer Bewohner bekannt. Die Maniaten glauben, als Gott mit der Schöpfung der Erde fertig war, hatte er noch eine handvoll Steine in seiner Faust übrig. Diese habe er hinter sich über die Schulter geworfen – und Mani war geschaffen. Wenn das mal kein lässiges Selbstverständnis ist….
Im Juli, während eines Familienurlaubs, entschied ich zusammen mit zwei Familienmitgliedern die Halbinsel zu besuchen. Ein perfekt eingespieltes Team für dieses Vorhaben.
Von Arkadien aus brachen wir mit dem Auto in Richtung Süden auf und passierten Sparta mit seinem majestätischen Taygetosgebirge.

Erste Station war die berühmte Tropfsteinhöhe in Vlychada bei Pirgos Dirou. Ein touristisches Highlight der Region. Da ein Großteil des Höhlensystems unter Wasser liegt und mit Booten besichtigt wird, hatten wir aufgrund der begrenzten Anzahl der Plätze unsere Tickets schon einige Tage im Voraus gebucht. Am Eingang eingetroffen, stattete man uns mit Schwimmwesten aus und nach kurzer Wartezeit ging es auch schon eine lange Treppe hinunter in die Unterwelt, wo Charon unser Tourguide bereits am Ufer auf uns wartete. :–)

Wir waren insgesamt sechs Fahrgäste im Boot, genauer gesagt fünf Erwachsene und ein Kind. Das Mädchen, welches in Begleitung seiner Eltern an der Tour teilnahm, sprach deutsch. Ich fragte sie, ob sie sich auf die Fahrt freue. Sie hatte wohl eher gemischte Gefühle. Einerseits freute sie sich riesig, andererseits hatte sie auch Angst vor der Höhle. Unser Tourguide war kompetent, aber nicht gerade der Freundlichste, sondern ziemlich streng. Er gab uns klare Anweisungen, wie wir uns im Boot zu verhalten und zu bewegen hatten. Mit chirurgischer Präzision manövrierte er uns durch die Kanäle und Hallen. Ebenso gut könnte er als Gondoliere in Venedig anheuern.
Das Wasser stand relativ hoch, sodass wir uns häufig ducken mussten, um mit unseren Köpfen nicht gegen Stalaktiten zu stoßen. Intuitiv wich der Vater des Mädchens, der neben mir saß, den herabhängenden Strukturen seitlich anstatt wie angewiesen nach vorne aus, sodass er das Boot einige Male ordentlich zum Wanken brachte. Gekentert sei bisher keines der Boote, versicherte uns der Fährmann.

Die Fahrt durch die Höhle war wie eine Reise durch eine andere Welt. Ein prächtiger Palast mit faszinierenden Tropfsteinformationen und Mustern, der von Mutter Natur geduldig über eine unbegreifbar lange Zeitspanne hinweg erschaffen wurde. Im Anschluss an die spannende Bootsfahrt folgte ein Spaziergang zu Fuß von 300 Metern Länge durch den trockenen Abschnitt der Höhle. Am Ausgang eingetroffen ging es anschließend durch die heiße Mittagssonne die Küste entlang zurück zum Eingangsbereich, wo wir uns erstmal beim Kiosk ein Eis gönnten. :–)

Erfrischt brachen wir schließlich weiter in Richtung Süden auf. Ziel war das Kap Tenaro, der südlichste kontinentale Punkt Griechenlands sowie zweitsüdlichster Punkt Europas.
Die Fahrt durch den spärlich besiedelten Landstrich war zunächst unproblematisch. Rechts das Meer, links das Gebirge. Plötzlich erblickten wir aus der Ferne eine graue Rauchsäule, die uns beunruhigte, je mehr wir uns ihr näherten. Ich hoffte, dass der Brand kein allzu katastrophales Ausmaß annehmen würde und weit genug von unserer Straße entfernt war. Doch wie sich herausstellte, war das Feuer erschreckend nah. Zwei Löschzüge sicherten die Straße als wichtige Verkehrsader der Halbinsel. Wir durften passieren.

Je näher wir uns auf das Kap zubewegten desto schwieriger wurden die Straßenverhältnisse. Eine ältere und an vielen Stellen unzureichend gesicherte Serpentinenstraße brachte uns – vorbei an typisch maniatischen Befestigungstürmen und –mauern – an den Rand der Welt. Die Maniaten glaubten früher, dass das Kap tatsächlich das Ende der Welt war. Wer von dort aus in See stach, fiel unweigerlich in den Hades.
Am Kap angekommen und wohlauf, passierten wir ein Café-Restaurant und ließen auf dem Parkplatz unser Auto zurück, um von dort aus das antike Heiligtum und Totenorakel von Poseidon zu besichtigen. Aber anstelle eines beeindruckenden Tempels, ruhte dort die Ruine einer kleinen byzantinischen Kirche. Diese soll aus den Steinen des Poseidon-Tempels erbaut worden sein, der sich einst mit weiteren Nebengebäuden dort befunden haben soll.
Es war bereits später Nachmittag, aber nach wie vor sehr heiß und trocken. Die Landschaft war imposant, aber der Bau an sich nicht, zumindest nicht von außen. Noch heute schien er jedoch als Kultstätte zu dienen. Innen, im hinteren Teil der Kirche, hatten frühere Besucher verschiedene Dinge an einem Altar niedergelegt, Kerzen, Geldmünzen, Spielzeuge, Briefe und Fotos, die eventuell von Verstorbenen stammten. Das hat mich überrascht und auch irgendwie tief berührt.



Wir persönlich gingen mit nichts hinein und auch mit nichts wieder hinaus. Das eigentliche Orakel war genau genommen auch gar nicht die Kirche als Nachfolger des Poseidon-Tempels, sondern eine nahegelegene, natürliche Unterhöhlung in Ufernähe, die mit Gestrüpp bedeckt und vom Hügel aus nicht zu sehen war. Dort lauschten einst die Klienten in den Wellen der Stimmen der Verstorbenen aus der Unterwelt. Ich frage mich, wie sie auf die Idee kamen, an diesem Ort mit dem Jenseits in Kontakt zu treten. Möglicherweise war er tatsächlich heilig. Oder aber es gab dort ein akustisches Phänomen, das die Menschen damals unheimlich fanden und sie glauben ließ, als handele sich um Stimmen von Geistern. Eventuell bloß Echos des Meeresrauschens. Ich hörte dort nichts Ungewöhnliches, allerdings war ich auch keine Klientin des Orakels. Auch sonst war an diesem Ort nichts „tot“, außer vielleicht mein Handyempfang. Seltsamerweise hörte man dort keine einzige Zikade, aber das muss nichts heißen. Vielleicht war es denen einfach zu heiß.

Am Kap Tenaro soll sich ein berühmter Zugang zum Hades befinden. Dort war gemäß der griechischen Mythologie Orpheus in die Unterwelt hinabgestiegen, um die Götter zu überzeugen, seine geliebte Frau Eurydike aus dem Totenreich mitzunehmen zu dürfen. Diese ließen sich aufgrund seiner beispiellosen Gesangskunst erweichen und so durfte er seine geliebte Frau mitnehmen. Allerdings durfte er sich auf dem Weg in die Oberwelt unter keinen Umständen zu Eurydike umdrehen. Anderenfalls würde sie für immer in der Unterwelt verbleiben. Orpheus und Eurydikes Flucht scheiterte. Eurydike starb erneut und fiel zurück in den Hades, während ihr Gatte allein und totunglücklich in das Reich der Lebenden zurückkehren musste.


Viele Besucher dieser Stätte glauben, dass ein Erdloch in der Nähe des Tempels den Zugang in die Unterwelt darstellt. Dies ist jedoch falsch. Die Höhle, die den vermeintlichen Zugang darstellt, ist nicht landläufig zu erreichen.
Nachdem wir das Totenorakel besichtigt hatten, erkundeten wir noch ein wenig die Gegend. Für eine Wanderung zur Spitze des Kaps, an der sich ein wunderschöner Leuchtturm befindet, fehlte uns nach diesem langen Tag und angesichts der anhaltend heißen Temperaturen schlichtweg die Kraft.
Stattdessen besuchten wir die Ruinen einer antiken römischen Villa.

Im Anschluss tranken wir noch etwas im Café und traten die Rückfahrt an. Das Feuer, das wir auf dem Hinweg passierten, war inzwischen durch den Einsatz von Löschflugzeugen, welche am Abend noch über dem Gebiet kreisten, zum Glück unter Kontrolle und fand neben weitaus gravierenderer Waldbrände, die in Griechenland wüteten, keinerlei Erwähnung in den Nachrichten.
Fazit: Mani ist eine sehr faszinierende und mystische Halbinsel. Sie scheint viele Geheimnisse zu bergen, die sich nur denjenigen offenbart, die bereit sind genauer hinzusehen. Gerne möchte ich eines Tages dorthin zurückkehren.
Hier noch das Video zum Trip:
