Unerwünscht

Der Angriff

Neulich besuchte ich einen beliebten Flohmarkt in Mannheim. Das Wetter war heiter und so war der Markt gut besucht. Blendend gelaunt schlenderte ich von einem Verkaufsstand zum nächsten, machte ein paar Schnäppchen und plauderte mit den Verkäufern. Dann stieß ich auf den Stand einer dunkelhäutigen Verkäuferin mittleren Alters. Sie war afrikanischer Abstammung, wie ich später erfuhr. Die Frau bot hauptsächlich Secondhand-Oberbekleidung und einige wenige neue Gürtel sowie Taschen an. Ich grüßte sie und sah mich um, als plötzlich eine weitere Frau hinzustieß. Die blonde deutsche Frau, um die 50 Jahre alt, klein, leicht untersetzt, gab sich zunächst als interessierte Kundin und sah sich die Taschen genauer an. Alles soweit unverfänglich. Sie wirkte wie der Prototyp einer netten Nachbarin von nebenan. Vielleicht eine Hausfrau. Sie fragte die Händlerin freundlich nach dem Preis und bekam auch ohne Umschweife Auskunft. Es war der Auftakt eines ganz gewöhnlichen Verhandlungsgesprächs. Aber der Schein trog. Urplötzlich schlug ihre Stimmung um und in überraschend gouvernantenhafter Manier belehrte die Kundin die Händlerin in hartem Hochdeutsch:

„Die Taschen hier sind Neuware. Sie wissen aber schon, dass Neuware hier nicht erlaubt ist?“

Da ich direkt neben ihr stand, kam ich nicht umhin das Gespräch mitzuverfolgen. Insbesondere missfiel mir die perfide Taktik, also die Scheinfreundlichkeit und das geheuchelte Kaufinteresse, mit der die deutsche Frau ihren Angriff präparierte. Diese wurde nur noch vom anklagenden und missächtlichen Ton getoppt, mit dem sie ihren verbalen Angriff ausführte. Ich war erschüttert, ließ es mir aber nicht anmerken. Aufgrund meiner griechischen Wurzeln war ich in meiner Vergangenheit und insbesondere meiner Kindheit selbst schon oft Ziel ausländerfeindlicher und rassistischer Anfeindungen. Insofern ordne blitzschnell und präzise ein, ob eine Belehrung wohlwollend gemeint und nur im Ton daneben ist oder ausschließlich feindseliger Natur. Hier war eindeutig letzter Fall gegeben.

Meine Neugier und mein Pflichtgefühl hinderten mich daran, mich von der unbehaglichen Situation zu entfernen und weiterzugehen. Pflichtgefühl insofern, als dass meine reine Anwesenheit die deutsche Frau möglicherweise daran hinderte, noch mehr Grenzen zu überschreiten. Wer weiß, was sie noch alles ohne Zeugen vom Stapel gelassen hätte. Ich blieb also stehen, verhielt mich jedoch passiv. Nicht zuletzt wollte ich wissen, mit welcher Legitimation sie in dieser Weise in Erscheinung trat. Unklar war, ob die Frau zum Verein gehörte, die den Markt veranstaltete. Aber selbst wenn dies der Fall wäre, würde sie dies – moralisch und juristisch – keineswegs dazu berechtigen, so mit der Händlerin zu sprechen. Sie sprach mit einer erwachsenen und erfahrenen Frau wie mit einem unartigen Kind, von oben herab. Aber die Gesamtsituation würde zumindest in einem etwas anderen Licht erscheinen, wenn diese die Befugnis hätte, für Ordnung auf dem Markt zu sorgen. Da sich die Frau jedoch nicht entsprechend zu erkennen gab und nicht auswies, gehörte sie folglich weder zum Veranstalter noch zum Ordnungsamt. Die in Bedrängnis geratene Händlerin wollte sich die Belehrung – mit Recht – nicht gefallen lassen und entgegnete der Frau mit Akzent:

„Na und? Andere verkaufen auch neue Sachen. Sind Sie vom Zollamt?“

Die Fragestellung war zwar taktisch nicht die Klügste, aber mir gefiel ihr Widerstand. Immerhin hatte sie versucht sich zu wehren, auch wenn sie ihr verbal vielleicht nicht das Wasser reichen konnte.

Die Angreiferin, die mit dieser Antwort offenbar nicht gerechnet hatte, suchte kurz nach den passenden Worten und antwortete genüsslich-triumphierend:

„Vielleeeeeeicht!“

Aus dem Augenwinkel beobachtete ich ihr suffisanten Grinsen. Zugleich blitzte in ihren Augen ein diabolisches Leuchten auf, während sie sich an der irritierten Reaktion der Händlerin ergötzte. So etwas hatte ich schon lange nicht mehr bei einem Menschen beobachtet und fand es trotz meiner weitreichenden Erfahrungen im Strafrecht gruselig.

Das Dilemma

Innerlich platzte mir zugleich fast der Kragen, denn ihre Antwort, mit der sie zielgerichtet den Schein von behördlicher Authorität fingieren und damit Angst bei der Adressatin erzeugen wollte, war reinster Bullshit und diente ausschließlich dazu, die Händlerin weitergehend einzuschüchtern. Ich hatte also die Wahl, die Frau deutlich hörbar für Dritte mit ihrem offenkundigen rassistischen und misanthropischen Grundhaltung zu konfrontieren, sie bloßzustellen und anschließend über die Strafbarkeit von Amtsanmaßung zu belehren. Aber der darauf folgende Schlagabtausch hätte mir den Marktbesuch und womöglich den restlichen Tag verhagelt und mir darüber hinaus unnötig Energie abgezogen, die ich für andere Unternehmungen vorgesehen hatte. Ich hatte noch familiäre Verpflichtungen zu erfüllen, abends wollte ich noch Tango tanzen gehen und nicht zuletzt bin ich auf meine mentale Balance bedacht. Wer im Laufe seines Lebens in viele Konflikte gezogen wurde, diese also erlebt und überlebt hat, überlegt sich ab einer gewissen inneren Reife genau, in welche ‚Arena‘ er steigt oder welche er vermeidet. Meine Interessensabwägung war insofern legitim.

Also entschied ich mich für eine andere Option: Die Angreiferin zog kurz nach ihrer frechen Antwort auch schon ihrer Wege. Ohnehin ging die Attacke sehr schnell vonstatten. Beim Gehen drehte sie sich zu ihrer Sicherheit noch einmal zum Stand um. Keine Silbe von mir. Keine Eskalation. Kein Geschrei. Keine Polizei. Einmischen musste ich mich dennoch. Statt aber die Angreiferin zusammenzufalten, begrenzte ich so gut es ging den Schaden, den sie bei ihrem Opfer vorsätzlich verursacht hatte. Zwar hatte die Händlerin versucht, sich gegen die Attacke zur Wehr zu setzen, aber mir fiel auf, dass sie anschließend destabilisiert und zermürbt wirkte.

Schadensbegrenzung

Ich tröstete sie und beruhigte sie mit dem Hinweise, dass sie sich keine Sorgen zu machen brauchte. Sie gab sich cool und tapfer, aber ihre Körpersprache und Mimik sagte mir etwas anderes. Ich versicherte ihr, dass die Frau weder vom Zoll noch von sonst einer Behörde war. Sie sei nichts davon und überhaupt nicht in der Position, so mit ihr so reden. „Eine Wichtigtuerin. Ein Nobody„, fügte ich scherzhaft hinzu. Die Dame verstand diese Sprache und lächelte. Wir unterhielten uns noch ein bisschen. Sie konnte nicht begreifen, wieso sie sie überhaupt angegriffen hatte. Sie würde oft von Leuten so behandelt als wäre sie gerade erst hier in Deutschland eingetroffen, dabei sei sie seit fast 30 Jahren hier. Ich sei anders, fügte sie hinzu. Ich sei lieb.

Das brachte mich in Verlegenheit und machte mich zugleich traurig. Offenbar kannte sie sich mit Ausgrenzung nur allzu gut aus. Dies rührte wiederum alte Erinnerungen in mir selbst auf. Unangenehme Situationen, in denen repressiv mit mir umgegangen wurde. Ich gab der Dame einige abschließende Tipps für den eher unwahrscheinlichen Fall, dass die Angreiferin zurückkehrte. Sodann lenkte ich das Gespräch auf andere positive Themen wie etwa Mode. Nach einer Weile hatte ich das Gefühl, dass sie sich gefangen hatte und wieder halbwegs entspannt war. Als eine weitere Kundin mit echtem Kaufinteresse auftauchte, zog ich still und leise weiter.

Reflexion

Dennoch ließ mich die Situation nicht sofort los. Ich rätselte noch ein wenig, auch darüber, was konkret der deutschen Frau widerfahren war, dass sie scheinbar Schwächere verbal attackiert.

Eines stand für mich jedoch fest: Mit Sicherheit hätte sie sich eine solche Belehrung gegenüber einer Landsfrau nicht geleistet. Und erst recht nicht bei einem physisch überlegenen Mann mit Migrationshintergrund. Da hätte frau natürlich Angst vor einer Ohrfeige oder gar einem Messer zwischen den Rippen. Aber bei einer Frau gleichen Alters und körperlicher Konstitution gab ihr die eigene Risikoabwägung offenbar grünes Licht. Mit der kann ich das machen! Der zeige ich jetzt mal, wo ihr Platz in dieser Gesellschaft ist!

Händler dieses Markts bieten übrigens nebenher in der Tat auch die eine oder andere Neuware an, was zwar regelwidrig ist, aber bis zu einem gewissen Maß toleriert wird. Es ging der Angreiferin jedoch nicht im Geringsten darum, dass die Frau mit Neuware handelte oder woher diese stammte, sondern einzig und allein nur darum, ihr ein deutliches Signal des Unerwünschtseins zu setzen. Die Frau hatte aus ihrer Sicht dort nichts zu suchen und sollte ‚weg‘ – am besten drei Meter unter die Erde. Und dies ist vermutlich nicht einmal übertrieben. Manche Menschen hegen innerlich tiefste Abgründe. Womöglich lebte die Angreiferin Lichtjahre weit an ihren (subjektiv empfundenen) beruflichen Möglichkeiten vorbei oder wurde von ihrem Mann für eine südländische Frau verlassen. Das sind natürlich nur Spekulationen, denn ich kannte die Frau und ihre Biographie nicht und auch war angesichts der Züge, die sie offenbarte, nicht im Geringsten an einem Kennenlernen interessiert.

Parallelen

Oftmals liegen solchen Ressentiments eben keineswegs logischen Erwägungen zugrunde, wie man vielleicht zunächst nachsichtig meinen könnte, sondern fußen in teilweise schweren psychiatrischen und antisozialen Störungen. Berühmtes Beispiel: Adolf Hitler. Das Beispiel wähle ich hier nicht von ungefähr. Dem Verhalten der Angreiferin liegt dieselbe brandgefährliche spießbürgerliche Mentalität zugrunde, die einst dem Nationalsozialismus sowie dem Antisemitismus Tür und Tor öffnete. Hätten Menschen wie die Angreiferin auf dem Flohmarkt tatsächlich Macht über andere, dann gute Nacht, Deutschland! Das hatten wir schon einmal. Fakt ist, dass die Mehrheit der Deutschen damals entweder Nazis, Sympathisanten oder Weggucker waren. Nur verhältnismäßig wenige starke Individuen empfanden die verübten Verbrechen als großen Unrecht und leisteten aktiv Widerstand. Schließlich war es, um es überspitzt zu formulieren, schlichtweg bequemer mit dem Strom zu schwimmen und den Arm in die Luft zu heben als sich gegen die Machthaber und Mehrheitsgesellschaft aufzulehnen und dabei seinen eigenen Kragen zu riskieren.

Die Nachfahren sind natürlich keinesfalls(!) unter Generalverdacht zu stellen und können für die Verbrechen ihrer (Ur-)Großeltern auch nichts. Aber trotz jahrzehntelanger, intensivster erzieherischer Aufarbeitung des damaligen Unrechts bis in die heutige Zeit, hat sich bei einigen leider die Idee davon gehalten, dass einige Menschen ‚hochwertiger‘ sind als andere.

Nie wieder

Leider haben diese es immer noch nicht verstanden oder verstehen wollen, dass das deutsche Volk zum Ende des Zweiten Weltkrieges großes Glück hatte, dass die Alliierten und allen voran die USA ihnen gestatteten(!), weiter zu existieren. Die Entwicklung der amerikanischen Atombombe erfolgte beispielsweise keineswegs zum Zwecke der bloßen Abschreckung. Mit der Geduld waren die Alliierten längst am Ende. Nur weil die Entwicklung länger dauerte als geplant und Nazideutschland mangels anderer Handlungsoptionen zwischenzeitlich kapitulierte, sah die US-Regierung von diesem Vorhaben ab. Strategisches Ziel war, nebenbei bemerkt, Mannheim /Ludwigshafen, um die deutsche Industrie empfindlich zu treffen. Zum Glück erwies sich dies gerade noch rechtzeitig als nicht mehr nötig. Aber nach allem was sich Deutschland damals geleistet hat – und damit möchte ich meinen Exkurs in die Geschichte besiegeln –, sollte es mit einem Minimum an Anstand, Dankbarkeit und Demut vor der Geschichte eigentlich die heilige Pflicht der Deutschen sein, sämtliches Gedankengut zu unterdrücken, welches zur systematischen Ausgrenzung und daraus resultierendem Leid führt.

Aber viele wollen leider nicht an sich selbst arbeiten. Und so sind Ausgrenzung und Rassismus Teil unserer gesellschaftlichen Realität, wie man auch am zunehmenden Erfolg der AfD unschwer beobachten kann. Und in verdeckter Form tritt er häufiger in Erscheinung als offen, was ihn nicht weniger schmerzlich für die Opfer macht. So nimmt die Gewaltspirale ihren Lauf. Umso wichtiger ist es, zumindest nicht wegzugucken und überlegt zu handeln. Handeln bedeutet nicht zwangsläufig, bei jeder kleinen Attacke selbstgerecht dazwischenzugehen. Und auf gar keinen Fall sollte man sich physisch in Gefahr bringen. Manchmal genügt es, einfach ein besseres Beispiel zu leben, um Hass und Ausgrenzung effektiv zu neutralisieren.

Ein besonderer Abend

Am Samstag, den 29. Juni 2024, besuchte ich eine Sonderveranstaltung der Milonga Poema, die erst vor wenigen Monaten von dem erfahrenen Tangopaar Georgia und Joseph sowie der Lehrerin Christina neu ins Leben gerufen wurde. Die Location befindet sich am Hauptbahnhof Heidelberg in einem ehemaligen Gebäude von Heidelberger Druckmaschinen.

Im Rahmen dieser Milonga bekamen Künstler aus der Region die Gelegenheit, ihre Kunstwerke zu präsentieren. Neben tollen Fotographien, Zeichnungen und Gemälden hatte ich die Ehre, ein kurzes Gedicht von mir zu präsentieren und in Form von Flyern zu verteilen. Dieses entstand im Rahmen meiner laufenden Arbeiten an meinem Tangoroman. Der Gedanke, dass Tangotänzer und auch andere Leute es lesen und sich eventuell sogar Gedanken darüber machen, inspiriert mich und motiviert mich zugleich, mein Buchprojekt voranzutreiben. In gedruckter Form hat das Ganze eine ganz andere Dimension als eine rein digitale Veröffentlichung. Dadurch wird es lebendiger und greifbarer. Aber nicht nur für die Leser, sondern auch für mich selbst. Seit ich dort und auch an anderen Orten verteile, fühlt es sich für mich ein bisschen so an, als hätte ich Gesellschaft beim Schreiben. Als Autor verbringt man faktisch zahllose Stunden allein an der Tastatur. Da mus man sich schon was einfallen lassen, um nicht darunter zu leiden. :–D

Hier einige wenige Eindrücke von diesem unvergesslichen Abend in Bildern:

Illustration von Kostas Valavanis zu Ehren der Milonga Poema
und ihrer Gastgeber

Die erfahrene Künstlerin Stefanie beim Aufbau ihrer Werke

Grafikdesigner und Künstler Kostas Valavanis

Mein Tangogedicht

Mein kleines Tangogedicht erstmals auf der Milonga Poema zu verteilen zu dürfen,
war für mich eine besondere Ehre

Pech-Thread

Wenn das Brot immer nur auf die Butterseite fällt, ist man womöglich verflucht! Zurzeit plagt mich eine Pechsträhne, die irgendwie nicht abreißen will. Deshalb habe ich entschieden, den Titel dieses Beitrags abzuändern und werde ihn updaten, solange bis Ruhe einkehrt.

Pleite Nr. 1

Gestern, am 27.06.2024 kam von der Reederei eine Nachricht, dass die von mir gebuchte Überfahrt von Italien nach Griechenland für diesem Sommer nicht wie geplant in Patras endet, sondern schon früher in Igoumenitsa. Wer mich ein bisschen kennt weiß: das hat mich maximal genervt…..

Würde ich als Konsequenz auf einen anderen Termin ausweichen, müsste ich mit meiner Begleitung mit Luftmatratze und Schlafsack auf dem Gang schlafen, da um den Anreisezeitraum alle Kabinen ausgebucht sind. Früher als Jugendliche fand ich die Deckpassage abenteuerlich. Bei klarem Sternenhimmel und Wind um die Nase war ich sogar happy. Eine kleine Anekdote habe ich euch hier bereits erzählt. Meine letzte Überfahrt auf dieser Route liegt mittlerweile aber viele Jahre zurück. Deckpassage kommt für mich heute nicht mehr in Frage. Ich bin nicht mehr die Jüngste und meine Knochen stecken eine Übernachtung auf dem Boden nicht mehr so gut weg. Nach einer rund zehnstündigen Autofahrt über die Schweiz möchte ich anschließend doch lieber in ein Bett fallen. Frühzeitig hatte ich mir daher eine Außenkabine gesichert.

Und nun das. Ich wurde automatisch auf die geänderte Route umgebucht. Wahrscheinlich werde ich das so akzeptieren und mich um eine Teilerstattung bemühen. Das besonders Unerfreuliche an der Sache ist, dass ich nach der Ankunft in Igoumenitsa noch ca. 500 km bis zum Ziel fahren muss, was mindest 4 ½ Stunden Fahrt bedeutet. Zum Vergleich: ab Patras wären es nur 2 Stunden auf moderner Autobahn gewesen. Auf Google Maps sieht das für mich nach einer „romantische“ Strecke aus…. Im Klartext bedeutet das ewiges und zermürbendes Gegurke die Küste entlang. Ich bilde mir ein, bereits die schlimmsten Serpentinen in Griechenland gefahren zu sein und meistere zu meiner eigenen Verblüffung selbst ungesicherte Haarnadelkurven über steilen Klippen souverän mit Gottvertrauen, sinnvollem Fahr- und Bremsverhalten und ruhigem Puls. Insofern wäre das schon machbar, aber…

Pleite Nr. 2

Heute, am 28.06. folgte dann gleich die nächste Hiobsbotschaft auf den Fuß. Früh morgens habe ich das Auto, mit dem ich die Reise plane, in der Werkstatt zur Diagnose abgeben lassen, weil aus dem Motorraum seit einiger Zeit ein leises pfeiffendes Geräusch kommt, das angesichts der geplanten Reise nicht mehr ignoriert werden kann. Ergebnis: Der Turbolader ist scheinbar defekt. Der Kfz-Mechaniker aus der Vertragswerkstatt riet mir dringend davon, damit eine längere Reise anzutreten. Der Austausch kostet schätzungsweise zwischen 2000 und 2500 Euro. Da musste ich erstmal schlucken….

Eine Pechsträhne?

Dies sind nur die jüngsten bad news. Seit Frühjahr letzten Jahres läuft, selbst bei wohlwollender Betrachtung, nichts so wie es soll. Meine Wurzeln habe ich in Griechenland. Da glauben viele Leute noch an den „bösen Blick“ (κακό μάτι). Die Wissenschaftlerin in mir kann es sich jedoch nicht leisten, sich mit Parapsychologie aufzuhalten, auch wenn ich z.B. Geistergeschichten mag.

Die Probleme, die sich aber gerade im Diesseits kumulieren, sind jedenfalls nicht mit irgendwelchen Beschwörungsformeln effektiv abzuwenden, sondern aller Voraussicht nach nur mit Geld und extrastarken Nerven! Also werde ich mich zu dem Problem ins Internet, die Dringlichkeit eines Austauschen erwägen, über Alternativen wie Reparatur recherchieren, mir ggf. eine zweite Meinung einholen um zu klären, ob tatsächlich der Turblader selbst defekt ist oder womöglich andere Bauteile in seiner Umgebung die Störungen verursachen. Ich hoffe, dass ich das Thema aufschieben kann und falls nicht, den Schaden etwas preisgünstiger beheben lassen kann als veranschlagt.

Denn ich habe keine Lust, im Gotthardtunnel liegen zu bleiben oder am Korinthischen Golf bei 38°C. Wenn ich hier mit allem durch bin, bin ich vermutlich selbst eine Expertin für Turbolader. :–D Wenn — und das ist ein großen Wenn — alles klappt und ich die Reise antreten kann, möchte ich mich schlau machen, was es bei Igoumenitsa Interessantes zu erkunden gibt. So könnte ich aus dem Ärgernis wenigsten etwas Positives rausschlagen.

Bei all dem Pech rund um den Sommerurlaub bleibt mir nur eines übrig: herzhaft darüber lachen und guter Dinge bleiben.

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Update vom 28.06. Pleite Nr. 3

Der Fahrstuhl war heute zudem außer Betrieb. Also echt jetzt….ich kann mich nicht daran erinnern, in letzter Zeit einen Spiegel zerbrochen zu haben.

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Update vom 30.06 Pleite Nr. 4:

Starkregen + beschlagene Frontscheibe + Stress + Bordsteinkante + Kurve verschätzt = geplatzter Reifen.

Das ist mir auch noch nicht passiert und hat meinem Herzen mindestens so wehgetan wie meinem armen Reifen, zumal der gesamte Satz Felgen vor erst einer Woche neu aufgezogen wurde und nicht billig war. Mangels Wagenheber musste der gelbe Engel ausrücken. Der schaute in Anbetracht des Risses im neuen Reifen genauso mitleidig aus der Wäsche wie ich und bekam ein Trinkgeld, weil er flott und höflich war und ich ihm angesichts dieses verregneten Sonntags meine Wertschätzung zukommen lassen wollte.

Lightsaber Experience

Schon in meiner Kindheit hat Star Wars meine Phantasie beflügelt. Das Konzept der Macht…ihre Helle Seite…ihre Dunkle Seite…die gerissenen Sith….die tugendhaften Jediritter… Ich glaube, Luke Skywalker war meine erste große Liebe. Später stand ich dann doch etwas mehr auf Schurken wie Han Solo. Allerdings hat dieser nur einen Blaster, den er zwar treffsicher einsetzt und zugegeben lässig um den Finger wirbelt, aber mit der eleganten Waffe der Jedi kann dieser nicht mithalten: dem Lichtschwert, dessen Klinge in 360 Grad alles schneidet außer ihresgleichen. Zwar ist es fiktiv und kann nach derzeitigem Stand der Wissenschaft (noch) nicht gebaut werden, aber an der Faszination der Fans ändert dies nichts.

In den Episoden IV bis VI waren die Choreographien noch nachvollziehbar. Ab den Episoden I bis III gewannen die Kampfszenen mit Lichtschwertern eine ganze neue Dimension dank Anakin Skywalker, dem jungen Obi-Wan Kenobi und nicht zu vergessen – Darth Maul mit seiner coolen Doppelklinge. Die Choreographien wurden komplexer und sehr viel dynamischer. Das Auge kam da kaum noch mit. Insofern würde ich mir vielleicht gern eine Art Kompromiss zwischen älterem und neuerem Stil wünschen. Soweit ich weiß, sind die Techniken an die japanische Schwertkampfkunst Kendo angelehnt, aber vermutlich mischen da auch diverse andere Künste und Sportarten mit, um die Szenen visuell tiefer zu gestalten. Wer da mehr weiß, ist gerne eingeladen einen Kommentar zu hinterlassen.

Über den Bauchtanz, also auf Umwegen gewann diese alten Faszination wieder an Aktualität für mich. Genauer gesagt durch meine Beschäftigung mit dem Saidi-Tanz, bei dem ich in den vergangenen Monaten gelernt und trainiert hatte, einen 100 cm langen Bambusstock in verschiedenen Variationen zu drehen und zu manipulieren. Irgendwann experimentierte ich für mich alleine damit rum. Tanz und Musik blieben dabei jedoch außen vor. Irgendwie machte es mir Spaß, mich mit dem Stock zu beschäftigen. Auf der Suche nach Inspiration für weitere und anspruchsvollere Tricks recherchierte ich nach Videos rund um das Thema Stockdrehen und stieß auf die Videos von Michelle C. Smith, einer professionellen und charismatischen Stuntfrau mit beeindruckender Expertise in Stabturnen, diversen Bewegungssystemen und Kampfchoreographien. Besonders ihre Tutorial-Videos mit LED-Schwertern begeisterten mich, sodass ich prompt meinen Saidistock umfunktionierte und die erste Kombinationen in Star-Wars-Style übte. Da dieser jedoch sehr leicht bzw. zu leicht ist, tauschte ich ihn prompt gegen ein preiswertes LED-Schwert und übte weiter…

Um mein neues Interesse voranzubringen, recherchierte ich nach möglichen Kursen in Lichtschwerttechniken und wurde relativ schnell fündig: die Saber Academy in Karlsruhe. Ihr Saberproject war mir bereits aus den Showauftritten während der Science-Fictions-Treffen im Technikmuseum Speyer ein Begriff, jedoch hatte ich es bisher immer versäumt, mir rechtzeitig eines der begehrten Tickets zu sichern.

Meine Anmeldung bei der Academy war jedenfalls nur noch reine Formsache und so besuchte ich in Begleitung meiner Schwester, die ich zur Teilnahme genötigt hatte, am 9. Juni meinen ersten Basic-Workshop. An diesem sonnigen Wahlsonntag(!) brachen also zwei müde Kriegerinnen erwachsene Frauen im Morgengrauen auf, um endlich das Geheimnis des Lichtschwerts zu lüften!

Das Trainerteam hieß uns freundlich willkommen. Ich schätze so manch festen Händedruck! :–D Als dann auch die anderen Teilnehmer des ausgebuchten dreistündigen Workshops eintrudelten, stellten wir zu unserer Freude fest, dass wir unter „Gläubigen“ waren.

Aber wer nun an unkoordinierte, Plastikschwert schwingende Kids denkt, liegt Lichtjahre weit daneben! Denn das Training ist sehr professionell organisiert, systematisch strukturiert und körperlich und mental sehr herausfordernd. Die Unterweisungen von Trainer Timm Blaschke erfolgten ausnahmslos verständlich, gründlich sowie sicherheitsorientiert. Der Ablauf ist diszipliniert und geordnet. Zwar kann man mit den Acrylrohren, aus denen die Klingen der Lichtschwerter in unserer Galaxis bestehen, zum Glück niemanden enthaupten, aber weh tut es trotzdem, wenn man die Hiebe nicht sauber ausführt. Zudem steckt in den Griffen viel Technik, die für Licht und Sound sorgt. Die robusten Schwerter halten eine ganze Menge aus!

Die Fertigkeiten, die im Workshop vermittelt werden, sind zwar nicht dazu gedacht, um sich damit in einem authentischem Schwertkampf zu behaupten, sondern dienen rein choreographischen Zwecken. Anhand der Elemente, die dort gelehrt werden, sollen die Teilnehmer jedoch dazu befähigt werden, wie in einer Art Baukastensystem eigene Kampfchoreographien zusammenzustellen. Und das funktionierte auch, denn gegen Ende des Workshops bekamen wir eine viertel Stunde Zeit, um mit unseren Sparringspartnern eine Kurzchoreo für ein Duell zu entwerfen, die wir anschließend vorführen sollten. So gewannen wir eine Ahnung oder besser gesagt den Hauch einer Ahnung davon, wieviel Arbeit und Kreativität in den meist kurzen Filmsequenzen steckt und wie intensiv unsere Filmhelden für diese spektakulären Momente trainiert haben müssen.

Fazit: Viel zu lernen ich noch habe! :–D Nach dieser intensiven Begegnung mit dem Lichtschwert fühlte ich mich jedenfalls wie eine waschechter Padawan und ging am Nachmittag bestens gelaunt ins Wahllokal, um die Dunkle Seite der Macht mit vorerst friedfertigen Mitteln zu bekämpfen….

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