1. Mai – Tag aller Arbeit?

Der „Tag der Arbeit“ hat seine Wurzeln in den USA, genauer gesagt in der US-amerikanischen Arbeiterbewegung und gedenkt der Opfer des Haymarket Massakers.

Kaum jemand kennt den blutigen Hintergrund dieses Feiertages, was bedauerlich ist, denn die Ereignisse und insbesondere das Resultat prägen die westliche Arbeitspolitik sowie den Tagesrhythmus vieler Menschen bis heute und erinnern darüber hinaus stets daran, dass viele Privilegien, die wir heute als selbstverständlich ansehen, in Wahrheit gar nicht so selbstverständlich sind. Für die Durchsetzung des Achtstundentages etwa sind damals Menschen gestorben. Nebenbei bemerkt ist zu hoffen, dass die aktuellen Verhandlungen rund um die Viertagewoche friedfertiger verlaufen….

Quelle: „Moderne Zeiten“ 1936, Charlie Chaplin

Heute feiern alle diesen Tag bzw. fühlen sich viele von ihm angesprochen, weil er bekanntermaßen irgendwie mit Arbeitnehmerrechten zutun hat. So verstehen sich etwa auch Angestellte in führenden Positionen, die in klimatisierten und modernen Büros arbeiten, als tapfere Ärmelhochkrempler und entrechtete Galeerenruderer und beklagen sich märtyrerhaft bei einer gemütlichen Tasse Kaffee über ihre angeblich miserablen Arbeitsbedingungen.

Zugegeben, auch „saubere“ und „abstrakte“ Tätigkeiten im Dienstleistungssektor können zweifellos sinnvolle Arbeit sein. Der moderne Mensch hat die Arbeit jedoch weder erfunden noch steht es ihm zu, vorschnell zu urteilen, wie wertlos oder wertvoll die Arbeit seines Nächsten ist. Leider machen das jedoch viele inmitten unserer Leistungs- und Konkurrenzgesellschaft. Aber wer hat das Recht oder die Deutungshoheit zu behaupten, dass nur Erwerbsarbeit gesellschaftlich wertvolle Arbeit sei? Was hätten dann bitteschön die Steinzeitmenschen getrieben, lange bevor das Geld erfunden wurde? Gammelten die etwa den ganzen Tag faul in der Höhle herum? Ich vermute, sie waren das Essen das sie verzehrten und das Dach (oder Höhlengewölbe) unter dem sie lebten würdiger als es so mancher Mensch es heute ist.

In seinem Meisterwerk „Moderne Zeiten“ von 1936 scheitert Charlie Chaplin in seiner Rolle als Arbeitnehmer auf ganzer Linie und weist unterhaltsam sowie brillant die Defizite und die Unvereinbarkeit der menschlichen Natur mit der herrschenden ausbeuterischen Arbeitsmarktpolitik auf. [Spoileralarm!] Am Ende ist er zwar arbeitslos, aber dennoch reich, weil ihm die Liebe seines Lebens zur Seite steht. Ich habe mich übrigens immer gefragt, was aus den beiden Figuren geworden ist und ob sie den Traum eines gemeinsamen Zuhauses verwirklichen konnten. Gerne stelle ich mir vor, dass sie dank ihrer darstellerischen Talente – fernab von Industrie und Versklavung – als Bohamians ihre Freiheit und ihr Glück gefunden haben.

Zurück zu den Ärmelhochkremplern und Galeerensklaven. Wenn der Begriff „Arbeit“ schon so weit ausgedehnt wurde, dass er physisch eher anspruchslose und privilegierte Tätigkeiten des Tertiärsektors miterfasst, warum schließt er dann nicht auch die Leistung von Menschen mit ein, die Tag für Tag für die Familie, die Kultur und das Gemeinwohl wertvolle Arbeit leisten? Für diese Arbeit sehen sie nicht nur keinen Cent, sondern werden in der Regel auch nur selten von ihrem Umfeld anerkennend gelobt.

Die Rede ist hier nicht von verwöhnten Gattinnen, die auf Kosten ihrer erfolgreichen Ehemänner ein privilegiertes Leben führen und die Hausarbeit und das Management der Familie an Putzfrauen und andere Hilfskräfte delegieren, sondern vielmehr von den vielen Frauen und Männern, die auf unscheinbare und doch unverzichtbare Weise die Gesellschaft wie Zahnräder mit am Laufen halten. Ihre Leistung wird schlicht ignoriert. Dabei ist beispielsweise die Erziehung der eigenen Kinder, das Engagement im örtlichen Fußballverein oder die Pflege von Angehörigen kein bloßes Hobby, auch wenn diese Tätigkeiten häufig belächelt werden, sondern wichtig und wertvoll für die Gesellschaft. Sie entlasten nicht zuletzt auch massiv den Sozialstaat. Die Gesellschaft, die Menschen nur noch als „Ressourcen“ oder „Erwerbspersonen“ definiert, redet ihren täglichen Einsatz jedoch nur allzu gerne klein. Sollten sie da durch den „Tag der Arbeit“ nicht ebenfalls mitgeehrt werden…?

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