by Niki Xenodimitropoulou
(Video-Link zum Beitrag unten)
Mani heißt der große Mittelfinger auf der Halbinsel Peloponnes in Griechenland. Die Region ist für ihre raue Landschaft sowie die eher schroffe Mentalität ihrer Bewohner bekannt. Die Maniaten glauben, als Gott mit der Schöpfung der Erde fertig war, hatte er noch eine handvoll Steine in seiner Faust übrig. Diese habe er hinter sich über die Schulter geworfen – und Mani war geschaffen. Wenn das mal kein lässiges Selbstverständnis ist….
Im Juli, während eines Familienurlaubs, entschied ich zusammen mit zwei Familienmitgliedern die Halbinsel zu besuchen. Ein perfekt eingespieltes Team für dieses Vorhaben.
Von Arkadien aus brachen wir mit dem Auto in Richtung Süden auf und passierten Sparta mit seinem majestätischen Taygetosgebirge.

Erste Station war die berühmte Tropfsteinhöhe in Vlychada bei Pirgos Dirou. Ein touristisches Highlight der Region. Da ein Großteil des Höhlensystems unter Wasser liegt und mit Booten besichtigt wird, hatten wir aufgrund der begrenzten Anzahl der Plätze unsere Tickets schon einige Tage im Voraus gebucht. Am Eingang eingetroffen, stattete man uns mit Schwimmwesten aus und nach kurzer Wartezeit ging es auch schon eine lange Treppe hinunter in die Unterwelt, wo Charon unser Tourguide bereits am Ufer auf uns wartete. :–)

Wir waren insgesamt sechs Fahrgäste im Boot, genauer gesagt fünf Erwachsene und ein Kind. Das Mädchen, welches in Begleitung seiner Eltern an der Tour teilnahm, sprach deutsch. Ich fragte sie, ob sie sich auf die Fahrt freue. Sie hatte wohl eher gemischte Gefühle. Einerseits freute sie sich riesig, andererseits hatte sie auch Angst vor der Höhle. Unser Tourguide war kompetent, aber nicht gerade der Freundlichste, sondern ziemlich streng. Er gab uns klare Anweisungen, wie wir uns im Boot zu verhalten und zu bewegen hatten. Mit chirurgischer Präzision manövrierte er uns durch die Kanäle und Hallen. Ebenso gut könnte er als Gondoliere in Venedig anheuern.
Das Wasser stand relativ hoch, sodass wir uns häufig ducken mussten, um mit unseren Köpfen nicht gegen Stalaktiten zu stoßen. Intuitiv wich der Vater des Mädchens, der neben mir saß, den herabhängenden Strukturen seitlich anstatt wie angewiesen nach vorne aus, sodass er das Boot einige Male ordentlich zum Wanken brachte. Gekentert sei bisher keines der Boote, versicherte uns der Fährmann.

Die Fahrt durch die Höhle war wie eine Reise durch eine andere Welt. Ein prächtiger Palast mit faszinierenden Tropfsteinformationen und Mustern, der von Mutter Natur geduldig über eine unbegreifbar lange Zeitspanne hinweg erschaffen wurde. Im Anschluss an die spannende Bootsfahrt folgte ein Spaziergang zu Fuß von 300 Metern Länge durch den trockenen Abschnitt der Höhle. Am Ausgang eingetroffen ging es anschließend durch die heiße Mittagssonne die Küste entlang zurück zum Eingangsbereich, wo wir uns erstmal beim Kiosk ein Eis gönnten. :–)

Erfrischt brachen wir schließlich weiter in Richtung Süden auf. Ziel war das Kap Tenaro, der südlichste kontinentale Punkt Griechenlands sowie zweitsüdlichster Punkt Europas.
Die Fahrt durch den spärlich besiedelten Landstrich war zunächst unproblematisch. Rechts das Meer, links das Gebirge. Plötzlich erblickten wir aus der Ferne eine graue Rauchsäule, die uns beunruhigte, je mehr wir uns ihr näherten. Ich hoffte, dass der Brand kein allzu katastrophales Ausmaß annehmen würde und weit genug von unserer Straße entfernt war. Doch wie sich herausstellte, war das Feuer erschreckend nah. Zwei Löschzüge sicherten die Straße als wichtige Verkehrsader der Halbinsel. Wir durften passieren.

Je näher wir uns auf das Kap zubewegten desto schwieriger wurden die Straßenverhältnisse. Eine ältere und an vielen Stellen unzureichend gesicherte Serpentinenstraße brachte uns – vorbei an typisch maniatischen Befestigungstürmen und –mauern – an den Rand der Welt. Die Maniaten glaubten früher, dass das Kap tatsächlich das Ende der Welt war. Wer von dort aus in See stach, fiel unweigerlich in den Hades.
Am Kap angekommen und wohlauf, passierten wir ein Café-Restaurant und ließen auf dem Parkplatz unser Auto zurück, um von dort aus das antike Heiligtum und Totenorakel von Poseidon zu besichtigen. Aber anstelle eines beeindruckenden Tempels, ruhte dort die Ruine einer kleinen byzantinischen Kirche. Diese soll aus den Steinen des Poseidon-Tempels erbaut worden sein, der sich einst mit weiteren Nebengebäuden dort befunden haben soll.
Es war bereits später Nachmittag, aber nach wie vor sehr heiß und trocken. Die Landschaft war imposant, aber der Bau an sich nicht, zumindest nicht von außen. Noch heute schien er jedoch als Kultstätte zu dienen. Innen, im hinteren Teil der Kirche, hatten frühere Besucher verschiedene Dinge an einem Altar niedergelegt, Kerzen, Geldmünzen, Spielzeuge, Briefe und Fotos, die eventuell von Verstorbenen stammten. Das hat mich überrascht und auch irgendwie tief berührt.



Wir persönlich gingen mit nichts hinein und auch mit nichts wieder hinaus. Das eigentliche Orakel war genau genommen auch gar nicht die Kirche als Nachfolger des Poseidon-Tempels, sondern eine nahegelegene, natürliche Unterhöhlung in Ufernähe, die mit Gestrüpp bedeckt und vom Hügel aus nicht zu sehen war. Dort lauschten einst die Klienten in den Wellen der Stimmen der Verstorbenen aus der Unterwelt. Ich frage mich, wie sie auf die Idee kamen, an diesem Ort mit dem Jenseits in Kontakt zu treten. Möglicherweise war er tatsächlich heilig. Oder aber es gab dort ein akustisches Phänomen, das die Menschen damals unheimlich fanden und sie glauben ließ, als handele sich um Stimmen von Geistern. Eventuell bloß Echos des Meeresrauschens. Ich hörte dort nichts Ungewöhnliches, allerdings war ich auch keine Klientin des Orakels. Auch sonst war an diesem Ort nichts „tot“, außer vielleicht mein Handyempfang. Seltsamerweise hörte man dort keine einzige Zikade, aber das muss nichts heißen. Vielleicht war es denen einfach zu heiß.

Am Kap Tenaro soll sich ein berühmter Zugang zum Hades befinden. Dort war gemäß der griechischen Mythologie Orpheus in die Unterwelt hinabgestiegen, um die Götter zu überzeugen, seine geliebte Frau Eurydike aus dem Totenreich mitzunehmen zu dürfen. Diese ließen sich aufgrund seiner beispiellosen Gesangskunst erweichen und so durfte er seine geliebte Frau mitnehmen. Allerdings durfte er sich auf dem Weg in die Oberwelt unter keinen Umständen zu Eurydike umdrehen. Anderenfalls würde sie für immer in der Unterwelt verbleiben. Orpheus und Eurydikes Flucht scheiterte. Eurydike starb erneut und fiel zurück in den Hades, während ihr Gatte allein und totunglücklich in das Reich der Lebenden zurückkehren musste.


Viele Besucher dieser Stätte glauben, dass ein Erdloch in der Nähe des Tempels den Zugang in die Unterwelt darstellt. Dies ist jedoch falsch. Die Höhle, die den vermeintlichen Zugang darstellt, ist nicht landläufig zu erreichen.
Nachdem wir das Totenorakel besichtigt hatten, erkundeten wir noch ein wenig die Gegend. Für eine Wanderung zur Spitze des Kaps, an der sich ein wunderschöner Leuchtturm befindet, fehlte uns nach diesem langen Tag und angesichts der anhaltend heißen Temperaturen schlichtweg die Kraft.
Stattdessen besuchten wir die Ruinen einer antiken römischen Villa.

Im Anschluss tranken wir noch etwas im Café und traten die Rückfahrt an. Das Feuer, das wir auf dem Hinweg passierten, war inzwischen durch den Einsatz von Löschflugzeugen, welche am Abend noch über dem Gebiet kreisten, zum Glück unter Kontrolle und fand neben weitaus gravierenderer Waldbrände, die in Griechenland wüteten, keinerlei Erwähnung in den Nachrichten.
Fazit: Mani ist eine sehr faszinierende und mystische Halbinsel. Sie scheint viele Geheimnisse zu bergen, die sich nur denjenigen offenbart, die bereit sind genauer hinzusehen. Gerne möchte ich eines Tages dorthin zurückkehren.
Hier noch das Video zum Trip: